Ein neues Imperium entsteht – während wir unseren Kompass verlieren
Vor unseren Augen entsteht eine neue Weltordnung und wir zanken und zetern
„Russina: China & Russland werden zum Imperium“, titelte das renommierte Pioneer-Briefing vor zwei Wochen. Und weiter hieß es: „Die tektonischen Erdplatten der großen Mächte sind in Bewegung geraten. Russland und China vereinen sich zu einem Imperium neuer Gestalt, das in keinem Geschichtsbuch und in keinem Zukunftsatlas vertreten ist. Dieses Reich – nennen wir es Russina – sprengt in seiner schieren demografischen, geografischen, ökonomischen und militärischen Dimension unsere bisherige Vorstellung von Macht.“ Als Beleg für die inoffizielle Schaffung der „weltgrößten demokratiefreien Zone, in der zwei autokratische Systeme ihre politischen Ambitionen und ihre ökonomischen Machtgelüste synchronisieren“, wird unter anderem angeführt, dass sich Wladimir Putin und Xi Jinping bereits 43 Mal getroffen haben.
Auch in meinen Augen ist das - neben der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) - die zukünftig wohl größte Veränderung unserer Epoche. Ob Einwohnerzahl, Fläche, Rohstoffvorkommen, Wirtschaftskraft oder Militärapparat – gemeinsam überragen beide Länder sämtliche Gegner und Bündnisse. Hier entsteht eine neue Weltordnung, die schon von ihrer Natur her andere dominiert. Und wie reagieren wir auf diese Bedrohung? Wir konzentrieren uns in Deutschland aufs Gendern, Bürgergeld für Arbeitsfähige und ESG-konformes Wirtschaften in allen Ecken unserer Wirtschaft. Und in Europa begegnen wir den geostrategischen Herausforderungen mit Zögern, Endlosdiskussionen und geben nicht im Mindesten ein Bild der Stärke ab.
Alle machen mit – nicht nur die Ampel
Die Gründe und Verursacher für dieses bizarre Agieren sind wahrlich nicht nur in der Ampel-Regierung zu finden. Das wäre zu billig. Vielmehr hat sich in weiten Teilen der Gesellschaft ein Low-Performer-Mindset ausgebreitet und als Decke über alles gelegt – bei gleichzeitig hohen Erwartungen und Ansprüchen. Das passt nicht zusammen und so lösen wir auch nicht die gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit, zumal China und Russland gut über die Schwächen der deutschen und westlichen Gesellschaft Bescheid wissen, diese ausnutzen oder sogar mit befeuern.
Wir verlieren zunehmend den Kompass und geben das über Jahrzehnte hart erarbeite Tafelsilber der Republik kontinuierlich ab. Wir diskutieren uns bei Nebensächlichkeiten wund, die die bedeutenden Themen überlagern und von ihnen ablenken.
Ja, unsere Regierung gibt ein schlimmes Bild von sich streitenden Geschwistern ab. Kein Tag vergeht, ohne dass in den Medien nicht über die zankenden Ampelpartner berichtet wird. Die Regierungskoalition ist zu vielen wichtigen Themen unabgestimmt. Einzelne politische Protagonisten positionieren sich eher persönlich, statt Projekte gemeinsam über Parteigrenzen hinweg zu steuern und erfolgreich abzuschließen. Die verdiente Quittung, ein Debakel ohnegleichen, haben sie zur Europawahl bekommen – aber den Hebel haben Sie noch immer nicht umgelegt.
Auch die Medienwelt trägt am gesellschaftlichen Mehltau eine starke Mitschuld. Nur zu dankbar nimmt die Presse mittlerweile jedes kleine Abstimmungsproblem zum Anlass, um die „Ampel“ infrage zu stellen. Denn diese zum Komödienstadl mutierten Storys bringen Klicks. Gleichzeitig stützt die Presse aber unverdrossen die große rot-grüne Linie und deren Führungsfiguren und beißt jeden weg, der kompetent und ernsthaft Kritik übt. Zuletzt passiert beim Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer. Dabei hat noch nie ein DAX-Vorstand so knallhart abgerechnet, ja bislang hat sich vom angestellten Top-Personal überhaupt noch niemand auch nur nennenswert geäußert.
Auch wenn Weimers Tadel aus meiner Sicht absolut zutreffend und gerechtfertigt war, ist es trotzdem falsch, wenn nur noch Krisenrhetorik und negative Schlagzeilen das Bild prägen. Wo bleiben Optimismus und Erfolgsgeschichten? Ja, Deutschland geht es schlecht, aber so schlecht nun auch wieder nicht! Immerhin sind wir zwischenzeitlich sogar wieder zur drittgrößten Volkswirtschaft avanciert und haben Japan verdrängt. (Aber nur, weil es ebenso in großen Schwierigkeiten steckt und der Yen so schwach ist.)
Eliten sind Vorbilder – eigentlich
Wo bleiben die Vorbildfunktion der Eliten aus Politik und Wirtschaft und deren Lösungen für die drängenden Probleme Deutschlands und Europas? Denn die Menschen sind zurecht verunsichert. Eine Krise folgt der nächsten und die geopolitischen Gefährdungslagen ballen sich. So etwas hat es seit dem Ende des kalten Krieges – bei dem es bis auf die Kuba-Krise niemals ernst wurde – nicht mehr gegeben. Heute sehen und erleben wir täglich einen realen Krieg in Europa, der sich im schlimmsten Fall auf weitere Länder ausbreiten könnte. Auch dies ein Ergebnis der Allianz „Russina“. Der Ukraine-Krieg, zumindest sein Andauern bis heute, wäre ohne die wirtschaftliche Unterstützung Chinas nicht denkbar. Und an einem schnellen Frieden sind beide Länder aktuell offenbar nicht interessiert – beim jüngsten Friedensgipfel zumindest glänzten sie durch Abwesenheit.
Wenn schon die Vorbildfunktion unserer Eliten und vor allem auch die Führungsfunktion des Bundeskanzlers ausfallen, so erkennt man auch jenseits der Politik, in der Breite der Bevölkerung, ebenfalls nicht die Dramatik. Anders sind die vielen Streiks und Proteste zu Beginn des Jahres nicht zu erklären: tagelange Ausnahmesituation und Milliardenverluste wegen Dieselsubventionen oder nur einer Wochenarbeitsstunde in ausgewählten Branchen – ohne vorher am Verhandlungstisch ernsthaft einen Kompromiss verhandelt zu haben. Jeder war sich da selbst der Nächste.
Diskussionen um den Weihnachtsbaum
Wenn anderswo neue Imperien entstehen, können wir uns keine Shitstorms leisten, weil CDU-Chef Friedrich Merz den Weihnachtsbaum zum deutschen Kulturgut erklärt. Wir können auch nicht jammern, weil man nach Jahren im heimischen Büro endlich wieder den Arbeitstag direkt im Unternehmen verbringen soll. Wir führen verkrampfte und überzogene Diskussionen übers Gendern, fordern die 4-Tage-Woche zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt und erfahren von grotesken „Trends“ wie dem „Bare Minimum Monday“.
Gleichzeitig streichen Miele, Bosch und SAP, um nur einige zu nennen, aktuell tausende Stellen. Jeweils. Zur Begründung hieß es von der Miele-Geschäftsführung: "Was wir derzeit erleben, ist keine vorübergehende Konjunkturdelle, sondern eine nachhaltige Veränderung der für uns relevanten Rahmenbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen". Mit anderen Worten: Die Bedingungen am Standort Deutschland – Energiekosten, Steuern, Bürokratie, Lohnkosten – sind so miserabel, dass es die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Mieles erfordert, Deutschland adieu zu sagen. Und Hunderte tun es ihnen gleich. Ein Aderlass der Industrie hat sich in Gang gesetzt, der uns gewaltig Wohlstand kosten wird.
Wir müssen jetzt Prioritäten setzen: mehr Leistungsbereitschaft und Fokus auf wesentliche Themen
Doch noch können wir umsteuern. Wenn wir auf die richtigen Themen setzen und dafür unideologische Lösungen finden. Mit „Priorität 1“ müssen wir angehen:
Zunächst einmal sollten alle Entscheider und Beeinflusser, allen voran die Medien, ihre Blase verlassen, wichtige Themen anpacken – und Ablenkungsthemen fallen lassen.
Dann müssen wir der Standortkrise Deutschlands mit mehr Leistungsbereitschaft und Innovationskraft und Mut entgegentreten.
Alles und konsequent muss auf wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum ausgerichtet werden, inklusive Bildung, Forschung, technologischer Fortschritt, Digitalisierung.
Aus der weltweit jeweils „dümmsten Einwanderungspolitik“ und „dümmsten Energiepolitik“ – alles Attribute namhafter internationaler Medien – muss die Regierung eine sinnvolle Migrationssteuerung und richtige Energiekonzeption machen.
Alle überflüssigen Kostenfaktoren, Bremsen, Regulierungen, Belastungen radikal beseitigen – in allen Branchen.
Auf diese Weise werden wir wieder stark und schaffen überhaupt erst die Voraussetzungen, ernst genommen zu werden. Gleichzeitig müssen wir die Bedrohungen durch Demokratiefeinde und Despoten erkennen und ebenso deutlich Machtpolitik betreiben – natürlich demokratisch und auf Basis unserer europäischen Werte, die bei Tatenlosigkeit allerdings komplett in Gefahr sind.
In Ausbildung/Studium: Leibniz Universität Hannover
2moWirtschaftswissenschaftlerin, Unternehmerin, Investorin und Unternehmensberaterin.
8moDu hast sehr schön geschrieben, was viele von uns fühlen. Ich finde sehr gut, dass du mit deiner große Reichweite die wirkliche Probleme benennst. Dafür danke ich dir.
Passion for Real Estate
8moBravo Jakob Mähren. Wir brauchen mehr Leute mit Rückrat und klarem Sachverstand. Die Ampel hat fertig und die Presse muss endlich wieder ihren Job Statt Hofberichterstattung machen. Deutschland 🇩🇪 soll wieder strahlen! Ideen 💡 nach vorn.
Unternehmer / Investor - Unternehmen und Immobilien - das Mittelmäßige und alles Gewöhnliche loslassen
8moLieber Jakob Mähren, ich bin 100 Prozent bei Dir!!! Let‘s go…. Weiter so…